20.000 Euro soll jeder junge Mensch zum 18. Geburtstag als staatliches Grunderbe bekommen, um die eklatante Ungleichheit zwischen potenziellen Erben und Nicht-Erben in Deutschland ein wenig abzufedern, zumindest wenn es nach dem Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider geht.
Was zunächst wie eine sozial revolutionäre Idee klingt, offenbart beim näheren Betrachten aber, dass sie aus dem gleichen Geist stammt, der letztlich dafür verantwortlich ist, dass die Chancen, ein halbwegs abgesichertes Leben zu führen, immer ungleicher verteilt sind. Es ist ein Denken, das primär beim Individuum ansetzt, und die gesellschaftlichen Strukturen eher vernachlässigt. Viele, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten unternommenen Versuche soziale Härten abzufedern, setzen beim Individuum an, indem es Transferleistungen vom Staat erhält. Auf den ersten Blick mag dies auch einleuchtend erscheinen, da es ja das Individuum ist, das unter dem Mangel leidet. Die Frage ist nur, ob dieser Ansatz tatsächlich das gewünschte Resultat erzielt. Angesichts der Tatsache, dass die Schere zwischen Menschen deren Vermögen (nicht das Einkommen) wächst und denen, die kein Vermögen aufbauen können, immer weiter aufgeht, scheint zu zeigen, dass dieser Ansatz nicht so recht funktioniert.
Man könnte im Gegenzug nun einmal überlegen, ob es vielleicht nicht sinnvoller wäre, all die Milliarden, die der Staat an Transferleistungen an die Bürger verteilt, in den Aufbau eines Systems zu stecken, das es Menschen ermöglicht, halbwegs vernünftig zu leben und im Nachgang zu schauen, wer tatsächlich noch individuelle Unterstützung benötigt. Halbwegs gut zu leben, ist in der Regel den Menschen möglich, die über eine qualifizierte Ausbildung verfügen und einigermaßen günstig wohnen können, weil sie entweder Eigentum besitzen oder günstige Mieten bezahlen.
Bildungsstudien zeigen, dass die Weichen für eine Bildungskarriere aber nicht erst in der Schule, sondern in den sechs Jahren davor gestellt werden. Das Entwicklungsniveau von Kindern aus bildungsaffinen und bildungsfernen Familien differiert bei Schuleintritt bereits um 2-3 Jahre. Wir reden hier von sechsjährigen Kindern! Diesen Kindern ist mit der Aufstockung des Kindergeldes deutlich weniger geholfen, als wenn es ein gut ausgebautes Kita-und Kindergartensystem mit gut qualifiziertem Betreuungspersonal und qualitativen Essen gäbe, das für einige Stunden täglich verpflichtend für alle Kinder wäre und zwar unabhängig vom Viertel, in dem Kinder heranwachsen. Dies betrifft natürlich auch das Schulsystem. Ein qualitativ hochwertiges Ganztagsschulsystem zeichnet sich nicht nur durch seine Angebote aus, sondern auch durch die Menschen, die darin arbeiten. Dies zu finanzieren ist teuer, würde aber die fehlenden Chancen aufgrund des Familienhintergrundes deutlich besser minimieren als nur die Aufstockung des Kindergeldes.
Ähnlich verhält es sich meines Erachtens mit der Idee, 20.000 € gießkannenmäßig an alle jungen Menschen in Deutschland mit Beginn der Volljährigkeit zu verteilen. Ich möchte gar nicht auf das Thema eingehen, dass man den Umgang mit Geld auch lernen muss und dass die Wahrscheinlichkeit, dass gerade Jugendliche aus sozial schwächeren Familien damit keinen Grundstein für ihren Vermögensaufbau betreiben werden, eher größer ist. Das Argument, dass ja auch jeder mit seinem Erbe machen könne, was er oder sie wolle, greift in diesem Fall nicht, denn hier soll das Geld ja von der Allgemeinheit bezahlt werden, um denen, die weniger Chancen haben, größere Chancen für den Vermögensaufbau zu gewähren.
Wenn wir nach den Gründen suchen, weshalb die Vermögensschere immer weiter aufgeht, dann hat dies zum Einen damit zu tun, dass große Vermögenswerte oftmals durch Aktien erschaffen werden und zum Anderen durch Immobilien. Wenn wir den Vermögensaufbau durch Aktien einmal ausklammern, dann bleibt das Thema Wohneigentum. Und dies entscheidet heute maßgeblich darüber, ob der sogenannte Otto-Normalverdiener einigermaßen abgesichert ist oder nicht. Wer heute in Städten zur Miete wohnt, muss immer mehr Geld seines Einkommens für das Wohnen ausgeben, da es in Deutschland aufgrund der unterbliebenen Förderung des sozialen Wohnungsbaus kaum mehr günstige Wohnungen gibt. Dieses Geld fehlt, um selbst eine Immobilie zu erwerben oder um den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Es wäre also zwingend notwendig, dass der Staat wieder massiv in den Wohnungsmarkt als Vermieter einsteigt, beziehungsweise einen Wohnbau fördert, der nicht nach einigen Jahren aus der sozialen Förderung fällt. Dass der private Wohnungsmarkt, der oftmals von großen Immobilienkonzernen beherrscht wird, kein Interesse an den Belangen der Mieter hat, sondern sich primär für seine Aktionäre interessiert, zeigt in diesen Tagen Vonovia. Angesichts der gestiegenen Inflation hat deren Chef eine Mieterhöhung angekündigt, wohl als Inflationsausgleich für seine Aktionäre.
Wer jedoch zu halbwegs vernünftigen Preisen wohnen kann und in den ersten 18 Jahren seines Lebens eine vernünftige Bildung und Ausbildung erhalten hat, hat für seine weitere Zukunft meines Erachtens deutlich bessere Chancen als mit einem einmaligen 20.000 € Geschenk des Staates.